Wachkoma- und Beatmungspflege

Hinter offenen Augen...

Es ist ein Schicksalsschlag mitten im Leben, der in die Gestaltung von Zukunft und der Verwirklichung beruflicher und persönlicher Ziele eine Zäsur schlägt. Dazu muss man wissen, dass Wachkoma jemanden in jedem Alter ereilen kann.

Der Altersdurchschnitt der Wachkoma-Patienten liegt im Malteserstift St. Stephanus in Meerbusch bei 40 Jahren. Daher ist das Zuhause - rein baulich - meist nicht auf eine derartige Situation eingestellt, so dass die Bewohner direkt aus dem Krankenhaus oder einer Rehaklinik übernommen werden. Diese Bewohner sind weder hirntot noch sterbend - sie sind in einer anderen Form des Lebens und zeigen Reaktionen auf äußere Einflüsse.

Durch die Erkrankung verlieren die Bewohner von heute auf morgen ihre zwischenmenschlichen Beziehungen und sind leider nicht mehr in die Gesellschaft integriert.

Malteser Geschäftsbereich Wohnen und Pflegen
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Die vier Säulen der Versorgung

Die vier Säulen der Versorgung

Die vier Säulen der Versorgung bestehen aus dem pflegerischen, dem ärztlichen und dem therapeutischen Team und natürlich den Angehörigen:

Das pflegerische Team besteht aus Pflegefachkräften aus der Kranken- und Altenpflege, teilweise mit Zusatzausbildung zur Anästhesie-und Intensivfachkraft. Des Weiteren gehören Pflegeassistenten mit zum Team. Einige Mitarbeiter wurden zu Pflegeexperten für Menschen im Wachkoma ausgebildet. Viele haben auch eine Weiterbildung für außerklinische Beatmung.

Das ärztliche Team besteht aus einigen niedergelassene Hausärzten aus dem direkten Umfeld, die die Einrichtung fußläufig erreichen können. Ebenfalls ins Haus kommen mindestens alle drei Wochen niedergelassene Neurologen sowie verschiedene Konsiliarärzte aus der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Urologie und Gynäkologie. Wichtig sind auch die regelmäßigen Untersuchungen durch einen Zahnarzt, da eine Mundpflege bei diesen Bewohnern sehr schwierig ist. Daher findet alle drei Monate eine zahnärztliche Visite statt. Einige Ärzte haben sich bereit erklärt, ins Haus zu kommen, da der Transport der Bewohner sehr aufwändig ist. Im Notfall werden Bewohner natürlich auch ins Krankenhaus eingewiesen.

Das therapeutische Team besteht aus einer Physiotherapeutin mit Weiterbildung zur Aromatherapeutin und Bobath-Trainerin. Sie ist fester Bestandteil des Teams. Jeder Bewohner wird einmal in der Woche gebadet. Nicht nur für die Körperpflege, sondern weil sich die Sehnen und Muskeln im warmen Wasser entspannen und dann besser durchbewegt werden können. Eine Musiktherapeutin legt verschiedenste Instrumente auf den Körper der Bewohner auf und bespielt diese dann.

Die beiden Therapeutinnen zusammen übernehmen auch die Aufgaben des sozialen Dienstes, der im Allgemeinen für die Betreuung und Freizeitgestaltung zuständig ist. Da wird z.B. Kuchen oder Pizza gebacken, obwohl die Bewohner das Ergebnis nicht selbst essen können, aber sie hören die Geräusche und nehmen die Gerüche wahr. Dazu gehört auch die Alltagsbegleitung nach §87b und natürlich die seelsorgerische Betreuung durch den Pastoralreferenten oder ansässige Pastoren. Je nach Verordnung wird das Team durch Ergotherapeuten und Logopäden ergänzt, die aus externen Praxen kommen und für die eine Verordnung vom Hausarzt vorliegt. Auch hier wird eng mit Praxen zusammengearbeitet, die möglichst immer dieselben Mitarbeiter in die Einrichtung schicken.

Die Angehörigen sind die wichtigste Säule: Ehepartner, Kinder, Eltern, Geschwister, Freunde und Bekannte sowie Berufsbetreuer. Anfangs haben bestand die Befürchtung, dass die Bewohner dauernd Besuch bekommen und dadurch möglicherweise die Arbeit gestört werden könnte. Leider ist allerdings fast das Gegenteil der Fall. Die Bewohner bekommen sehr wenig Besuch und es kommen dann auch immer dieselben Besucher.

Umgang mit Menschen im Wachkoma

Umgang mit Menschen im Wachkoma

Am besten geht man so normal wie möglich mit ihnen um. Es ist auch in Ordnung, wenn die Angehörigen mal mit einem Bewohner schimpfen: "Was hast Du mir angetan?! Wie viel Arbeit hast du mir gemacht?!" Das muss auch mal raus und das ist in Ordnung, wenn die Bewohner das mitkriegen.

Bei der Zimmergestaltung gibt es eine Vormöblierung durch die Einrichtung. Sehr viel Wert wird auf Privatsphäre gelegt. Daher sind alle Zimmertüren geschlossen! Das ist ein großer Unterschied z. B. zur Intensivstation, wo es höchstens spanische Wände gibt. Die Türen werden zu gemacht, weil gerade die jungen Angehörigen auch manchmal Zärtlichkeiten austauschen wollen. Die geschlossenen Türen haben keinen negativen Aspekt, da die Bewohner sich durch Rufen sowieso nicht verständlich machen könnten.

Die meisten Bewohner wollen geduzt werden. Die Pflegekräfte haben festgestellt, dass sie dadurch auch einen besseren Zugang zum Bewohner haben bzw. bekommen.

Wichtig ist außerdem, dass der Bewohner immer einbezogen wird in pflegerische Handlungen und Gespräche. Alles, was die Pflegekräfte tun, erklären sie auch: "Ich drehe Sie jetzt nach rechts und wasche ..."

Was hat sich bewährt?

Was hat sich bewährt?

Eine kontinuierliche Durchführung der geplanten Tagesstruktur ist wichtig. Und ein fester Mitarbeiterstamm. In Meerbusch klappt das gut, weil die Mitarbeiterfluktuation sehr gering ist. Aus wirtschaftlichen Gründen ist die Kontaktpflege zu den Rehakliniken ein ebenfalls wichtiger Punkt. Denn wenn ein Platz frei ist, soll dieser natürlich möglichst schnell wieder belegt werden. Die regelmäßigen Angehörigennachmittage haben sich bewährt, genauso wie die Begleitung nach § 87b. Für eine gute Zusammenarbeit und den gesamten Ablauf ist es grundlegend, dass man mit den immer selben Personen zusammenarbeitet: Hausärzte, Sanitätshaus, externe Therapeuten.

Strukturierter Tagesablauf

Strukturierter Tagesablauf

Besonders wichtig ist der strukturierte Tagesablauf. Dazu zählt vor allem der Tag-Nachtrhythmus bzw. die Mittagsruhe. Daran sind viele Bewohner, gerade wenn sie von einer Intensivstation kommen, nicht mehr gewöhnt. Ein weiterer fester Bestandteil in der Tagesstruktur ist durch die Grund- und Behandlungspflege gegeben und durch das therapeutische Arbeiten.

Neben diesen täglich wiederkehrenden Bestandteilen gibt es verschiedene Alltagsangebote, dazu gehören auch alle Feste, die im Malteserstift gefeiert werden. Wenn aus der Biographie bekannt ist, dass jemand gerne Karneval gefeiert hat, dann wird er zur Karnevalsfeier dazu geholt.

Insgesamt ist das biographische Arbeiten sehr wichtig. Im Malteserstift wurde eigens dafür ein zwölf Seiten starker Biographiebogen entwickelt, in dem ganz viele Dinge abgefragt werden: Hat sich der Bewohner nach dem Zähneputzen den Mund mit warmem oder kaltem Wasser ausgespült? Möchte er mit seinem Vornamen, Nachnamen oder einem Spitznamen angesprochen werden? Soll der Bewohner geduzt oder gesiezt werden? ... Hier ist die Kreativität der Pflegekräfte sehr gefragt, da oft auch die Angehörigen solche genauen Fragen nicht beantworten können.

Herausforderungen an das Pflegepersonal/Problemstellungen

Herausforderungen an das Pflegepersonal/Problemstellungen

Es gibt körperliche Beeinträchtigungen der Bewohner, welche die Arbeit der Pflegekräfte erschweren. Dazu gehören die oft starken Kontrakturen. Ein Bewohner kann z.B. den Arm nicht strecken, muss aber natürlich dort ebenfalls gewaschen werden. Das macht die Grundpflege häufig sehr viel zeitaufwändiger.

Viele Bewohner haben keine Patientenverfügung. Und damit stehen die Pflegekräfte vor einem Problem: Was machen wir, wenn der Bewohner gegebenenfalls erneut reanimationspflichtig wird?

Hinzu kommen die täglichen Auseinandersetzungen mit Kostenträgern, die bestimmte Hilfsmittel nicht bezahlen wollen. In diesem Punkt helfen die beiden Hausärzte, indem sie Dinge verschreiben, ohne auf ihr eigenes Budget zu achten.
Auch die Angehörigenarbeit ist häufig sehr schwierig. Gerade wenn die Bewohner aus einer Rehabilitation kommen. Denn dann kommen die Angehörigen mit dem Anspruch, dass es so weiter läuft wie in der Reha. Das kann hier aber nicht geleistet werden. Die Mitarbeiter versuchen aber natürlich ihr Bestes.